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(Auszug):
Muhammad Asad: "Die Botschaft des Koran"

Den Koran verständlich machen, wie er ursprünglich einmal verstanden wurde, unverstellt von späteren dogmatischen Festlegungen und ideologischen Verzerrungen, die sich wie ein Schleier zwischen Text und Leser ziehen, als intellektuelle Herausforderung und befreiendes Abenteuer: Kein geringeres Ziel hatte Muhammad Asad seiner kommentierten englischen Koranübersetzung gesetzt, die 1980 erstmals unter dem Titel "The Message of The Qur'an" in einem eigens von ihm zu diesem Zweck gegründeten Verlag in Gibraltar erschien und heute nicht zuletzt mit Übertragungen in weitere moderne Sprachen, darunter Deutsch, Nachfolger gefunden hat. Dieser Erfolg war damals jedoch keineswegs abzusehen, und Asad sollte ihn bis zu seinem Tod im Jahr 1991 nicht mehr erleben: Denn in den zwei Jahrzehnten, die er für seine Arbeit zuletzt in Tanger verbrachte, hatte sich der Islam vollends einem puritanischen Fundamentalismus zugeneigt, beschleunigt durch die iranische Revolution, aber auch die Missionstätigkeit der "Muslim World League", auf deren Förderung er vergeblich vertraut hatte.

So schwierig, ja nach traditionellem Verständnis unmöglich es sein mag, dem Original in einer Übersetzung Rechnung zu tragen, war Muhammad Asad der erste Übersetzer des Koran, dessen souveräne Kenntnisse des Arabischen und seiner Redeformen sich nicht allein akademischen Studien, sondern jahrelangen Aufenthalten auf der arabischen Halbinsel verdankten, kurz bevor diese im Zuge des Ölbooms gründlichere Veränderungen erfuhr als jemals zuvor seit den Anfangszeiten des Islam. Zudem beherrschte der 1900 als Leopold Weiss im galizischen Lemberg geborene Asad bereits als Jugendlicher Hebräisch und Aramäisch und war mit der Talmudliteratur vertraut. Wie sein Vater, der entgegen seinen naturwissenschaftlichen Neigungen den Beruf des Rechtsanwalt ergriffen hatte, folgte Asad jedoch nicht der Familientradition rabbinischer Gelehrsamkeit, sondern verlor sich nach der Übersiedlung nach Wien und dem Ende des Ersten Weltkriegs zunächst im Sog des intellektuellen Aufbruchs, der die Agonie der Donaumonarchie und des Kaiserreichs überdauerte, aber nur die Kehrseite eines zunehmend antisemitischen Konservativismus war. Asad brach sein geisteswissenschaftliches Studium ab und ging 1920 in der Hoffnung auf eine Laufbahn als Journalist nach Berlin, wo er abgesehen von der Mitarbeit an Drehbüchern oder in einer Nachrichtenagentur jedoch wenig Erfolg hatte. Asad hat die ersten Stationen seines Lebens, das ihn zum Zeugen, ja einem Protagonisten der wechselvollen Geschicke des Islam im vergangenen Jahrhundert werden ließ, Anfang der fünfziger Jahre in "Der Weg nach Mekka" nachgezeichnet, einem autobiografischen Roman, der mit seinen Auslassungen und fiktionalen Überhöhungen allerdings Rätsel aufgibt. Fest steht, dass seine erste Frau, die Malerin Elsa Schiemann, die er nach seinem Wechsel von Wien nach Berlin kennengelernt haben wird, einen größeren Einfluss auf ihn ausübte, als aus seinen Schriften erkenntlich ist. Die Schwester der Reformpädagogin Minna Specht war in erster Ehe mit dem deutsch-russischen Künstler Rudolf Schiemann verheiratet, einem Weggefährten Majakowskis und Übersetzer Lenins. Auch war Elsa Schiemann mit Carl August Rathjens befreundet, einem Pionier der deutschen Orientforschung, und sie war Mitarbeiterin von Otto Gross, Schwager seines Freundes Anton Kuh und Außenseiter der Psychoanalyse, die mit Asads Onkeln Dorian und Leopold Feigenbaum zwei seiner nächsten Verwandten zu ihren Schülern zählte. Als letztere 1922 in Jerusalem tätig waren, nutzte Asad die Gelegenheit zu einer anderthalbjährigen Reise über Ägypten und Palästina nach Syrien, Jordanien und in die Türkei, bei der Elsa Schiemann und ihr Sohn Heinrich ihn begleiteten und auf der er als Verfasser von Reisenotizen auf sich aufmerksam machte und zum Korrespondenten der "Frankfurter Zeitung" berufen wurde.
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